All sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind recht, und wer stolz einherschreitet, den kann er demütigen. (Daniel 4,34)


Was Schabowski zu Ostern sagen könnte

Osterpredigt zu Lukas 24,1-12 am Ostersonntag, den 20.04.2025 in Großschönau und Waltersdorf
von Pfr. Gerd Krumbiegel

Liebe Ostergemeinde,
Das Osterlachen mag auch dieses Jahr wieder am Anfang stehen. Tod und Teufel auslachen, „ob sie auch noch so brummen“, sie auslachen, weil „ein Wörtlein“ sie fällen kann: Jesus. „Jesus lebt, mit ihm auch ich“.* Darum lachen wir. Und darum wohlan:

Ein alter Mönch pilgert mit einem Novizen, einem jungen Bruder, auf dem Jakobsweg. Abends schlagen sie ihr Zelt auf. In der Nacht wacht der Alte auf, sieht die Sterne am Himmel und weckt den jungen Mann: „Schau nach oben, was siehst du?“ – „Ich sehe den Himmel, Vater, und unendlich viele leuchtende Sterne.“ – „Und, was sagt dir das?“, fragt der Mönch. – Darauf der Junge: „Das sagt mir, dass Gott der Schöpfer des Himmels und aller Himmel Himmel ist. Er hat die unendlichen Weiten so wunderbar erschaffen. Es sagt mir aber auch, dass er uns kleine Menschen nicht vergessen hat.“
„Ach, junger Bruder“, seufzt da der Mönch, „mir sagt es, dass unser Zelt gestohlen wurde.“
(1, S.5)

Liebe Gemeinde,
wie kriegen wir jetzt die Kurve zur Oster­geschichte, die ja auch froh macht und doch mit Tränen beginnt? Im Grunde beginnt ja auch sie unter dem Sternenhimmel, zumindest die letzten Sterne sind noch zu sehen, denn es ist sehr früh am Morgen. Und so berichtet der Evangelist Lukas:

1 Aber am ersten Tag der Woche sehr früh kamen sie zum Grab und trugen bei sich die wohlriechenden Öle, die sie bereitet hatten. 2 Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab 3 und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht. 4 Und als sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer in glänzenden Kleidern. 5 Sie aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? 6 Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war 7 und sprach: Der Menschensohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen. 8 Und sie gedachten an seine Worte. 9 Und sie gingen wieder weg vom Grab und verkündigten das alles den Elf und allen andern Jüngern. 10 Es waren aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und die andern Frauen mit ihnen; die sagten das den Aposteln. 11 Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. 12 Petrus aber stand auf und lief zum Grab und bückte sich hinein und sah nur die Leinentücher und ging davon und wunderte sich über das, was geschehen war. 

Liebe Gemeinde, das sind Bilder, die sich einprägen, ja einbrennen. Denn bevor Ostern wird, sehen Maria von Magdala und ihre Begleiterinnen etwas anderes. Karfreitag schloss das Grab mit einem Stein zu. Da heißt es z.B. bei Markus: Und sie legten ihn in ein Grab, das war in Felsen gehauen, und wälzten einen Stein vor des Grabes Tür. Aber Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Joses, sahen, wo er hingelegt wurde.(Mk 15,46f)
  
Letzte Bilder, der Stein, der die Tür des Grabes verschließt, Fels auf Fels, so klingt Endgültigkeit. Da stehen Maria von Magdala und die andere Maria neben uns und wir neben ihnen, wenn wir vor den Gräbern unserer Lieben stehen. Wie den beiden damals die Möglichkeit fehlte, den Stein aus eigener Kraft wegzurollen, so kraftlos mag man sich fühlen, gerade wenn die Trauer noch frisch ist. Dumpfe Ohnmacht. Ein Stein so schwer, dass wir ihn keinen Millimeter bewegen können. Trauer. Eingeschlossen – ausgeschlossen – abgeschlossen. Wir spüren, dass dieser Stein ein Grenzstein ist, er mar­kiert eine Linie, die wir nicht über­schreiten können. „Nur einmal, wenn wir selber durch diese Tür schreiten“, von hier nach dort. Doch: „Was ist hinter dieser Tür?“(2, S.138) »Nichts«, sagen die einen, »Weiße Strände und Sonne«, sagen die anderen. »Alles Einbildung!« ruft da ein Wissen­schaftler, »Ich habe das Licht gese­hen.«, sagt jemand, der einmal zwischen Tod und Leben schwebte. Also, was ist dort?
   Wir brauchen Geduld. Maria von Magdala und die anderen mussten auch warten. Sie gingen los, als es noch dunkel war. Sie gehen auf den Friedhof, ans Grab, letzte Bilder treiben sie und vielleicht ist da im Herzen auch der Wunsch, Jesus nahe zu sein. Ihn wie auch immer zu spüren. Man sagt, Trauernde sind empfänglich für Zeichen der Natur, das plötzliche Aufreißen des Himmels, ein Lichtstrahl, der durch die Wolken fällt, ein Vogel, der am Grab singt, ein Wind, der in den Baumkronen flüstert. Könnten das nicht Zeichen der Nähe sein, trotz der Tatsache, dass hier unverrückbar Fels auf Fels liegt?
   Doch der unverrückbare Stein ist beiseite geschoben. „Sie fanden aber den Stein weg­gewälzt von dem Grab und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht. Darüber wurden sie bekümmert.“ Wer wäre nicht bekümmert, nun ist ihnen selbst noch diese Ahnung von Nähe zu Jesus genommen. Und das Wort „bekümmert“ können wir hier auch übersetzen mit „ratlos sein“, sich in „großer Verlegenheit befinden“. Es wird deutlich, das leere Grab allein reicht nicht für den Glauben an die Auferstehung.(3) Wahr­schein­licher ist da etwas anderes: Im Johan­nesevangelium wird Maria Magdalena sinn­gemäß dreimal sagen: „Sie haben den Herrn weggenommen.“ (Joh. 20,2b.13.15) Und bei dieser Feststellung wäre es auch geblieben, wäre die Geschichte nicht tatsächlich weiter gegangen. Und als sie darüber bekümmert waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer mit glänzenden Klei­dern. Die Frauen aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Da sprachen die beiden zu den Frauen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“
   Die Botschaft der Männer in den leuch­tenden Gewändern ist schroff und, ginge es hier nicht um Leben und Tod, wäre sie sogar zum schmunzeln. Den Lebenden bei den Toten suchen, das ist, als „wenn bei deinem Auto der Motor stottert und du fährst damit in die nächste Tischlerei. Oder deine Uhr ist kaputt und du gehst damit zum Klempner.“(4, S.15) Es ist nicht egal, wo wir suchen. Denn der Ort, wo wir Hilfe und Leben suchen, bestimmt darüber, was wir finden. Der Supermarkt hat offen, Angebote ohne Zahl, die Regale voller Esoterik, Astrologie, die königliche Familie, Reinkarnation.(4, S.17) Oder etwas nüchterner die Vernunft, Materie, Wissenschaft.
   Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Welche Maßeinheit gibt es für Auferstehung?
Mit welcher Versuchsanordnung weist man den Auferstandenen nach?
Wie misst man das ewige Leben?
   Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Ob den Frauen hier eine Denkpause gegönnt war? Immer wieder geht ihr Denken hier hin und her zwischen den beiden Punkten der Botschaft: „Nicht hier“ – „auferstanden“, „nicht hier“ – „auferstanden“, „nicht hier…“ Da sind noch immer diese letzten Bilder, da ist das Kreuz, das Grab, der Stein. Was heißt auferstanden? Wie geht hier Wort und Wirklichkeit zusammen? Die Frauen würden wohl heute noch dort stehen und wir ratlos neben ihnen, würden die Engel nicht den entscheidenden Hinweis geben: „Gedenkt daran, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“ Dass am Grab die Gedanken zurück gehen und Erinnerungen aufsteigen, ist das Allernatürlichste. Darum gedenkt! Erinnert euch! Aber denkt nicht an den Leichnam, nicht an den Stein, denkt auch nicht an die gute alte Zeit, sondern sucht Hinweise im Leben Jesu, die über seinen Tod hinausweisen. Was davon, was ihr mit ihm erlebt habt, weist darauf hin, dass der Tod nicht das Ende ist? – „Und sie gedachten…“ Womöglich daran, wie ER mit fünf Broten und zwei Fischen eine riesige Menge sättigte; wie Blinden die Augen aufgingen, und Zweifler Vertrauen fassten; ihnen kam in den Sinn, wie Ängstliche bei IHM in die Mitte traten, und den aufgeblähten Sorgen die Luft ausging, ja, wie auch Tote wurden lebendig wurden. – Denkt an seine Worte, was er euch gesagt hat. Denkt an seine Botschaft. „Und sie gedachten an seine Worte.“ Und anders als in allen anderen Evangelien, braucht es für die Frauen hier keine Aufforderung zum losgehen und weiter­sagen, sondern nachdem sie die Worte Jesu wieder erinnert haben, wird ihnen alles klar, es leuchtet ihnen ein. Als Jesus von „Auferstehung“ sprach, da war das kein Bildwort, kein Gleichnis, sondern eine neue spürbare und greifbare Wirklichkeit. Echte Verwandlung, die nun auch sie erfasst.(5, S.108)
   Denn nun kommen sie Bewegung. Die Herzens­bewegung zieht die äußere Bewe­gung nach sich. So wie der, der sich über alle Maßen freut, nicht stillesitzen kann. „Und sie kehrten vom Grab zurück und verkündigten das alles den elf Jüngern und den anderen.“
  
Was dann folgt, ist eine Ausbremsung und ein Lichtblick.
Ausbremsen geht so: „Und es erschien ihnen, (den Aposteln), diese Worte, als wär´s Ge­schwätz, und sie glaubten ihnen nicht.“
Damit stehen die Jünger aber nicht allein; vor den Gräbern stehen wir neben ihnen. Wenn da der Zweifel aufsteigt. „Und wenn das doch alles nur Gerede wäre? Ausgedacht, damit wir besser klarkommen mit der Trauer?“
   Hier sei gesagt: „Wir alle suchen nach Hoffnung, und der beste Ort, wo wir sie finden können, ist die Auferstehung Jesu Christi.“(6, S.9) Denn hier sind wir nicht mehr vom Fortschritt der Wissenschaft abhängig, bei der doch eine Erkenntnis die andere ablöst; wir sind nicht mehr abhängig von der Mehrheitsmeinung und auch nicht vom gesellschaftlichen Trend. Sondern die Hoffnung auf Auferstehung hängt „von Gott selber“ ab(6, S.18), von ihm, der von Ewigkeit zu Ewigkeit da ist. Für uns da ist.
   Und darum dann der Lichtblick: Das was die Frauen berichten, lässt Petrus nicht kalt. Er geht los: „Petrus aber stand auf und lief zum Grab.“ Wenig später lesen wir im gleichen Kapitel: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.“ Sein Los­gehen hat ihn dem Auferstanden näher gebracht.
   Ich möchte das zum Schluss mit einem Vergleich sagen. Dass die Berliner Mauer und damit der eiserne Vorhang fiel, also eine Grenze mit Todesstreifen bis zu 500m breit und über 1378 km (vgl. 7) durch unser Land, dass diese Grenze fiel, die gut 40 Jahre gehalten und Angst und Schrecken verbreitet hatte, das hing vor 36 Jahren mit einem ganz unglaublichen Satz zusammen, den Schabowski mehr stammelte als richtig vorlas. Am Anfang noch flüssig: „Die Ämter sind ange­wie­sen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen… Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen. – Dann die Rückfrage eines Journa­lis­ten: Wann tritt das in Kraft? Darauf Schabowski unsicher: Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort… unverzüglich…“(8)
  
Viele in der damaligen DDR haben das vielleicht für "Geschwätz" gehalten. Und das wäre es auch geblieben, wenn nicht darauf­hin Tausende ihn beim Wort genommen und noch in der Nacht zum Grenzübergang Born­holmer Straße gegangen wären und damit einen Druck erzeugt hätten, unter dem die Grenze schließlich zusammenbrach.
   Und nun die Frage an uns am Ostermorgen: Wenn schon ein so wenig vertrauens­wür­diges und gestammeltes Wort eines SED-Funktionärs so etwas auslösen konnte, wieviel mehr wird dann erst die Botschaft der Engel bewirken: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“  Und wenn die Tausenden damals hingingen und eine jahrzehntelange Grenze zum Einsturz brachten, und wenn sie so einen Todesstreifen in einen "Weg der Hoffnung"(9) wandelten, was wird erst geschehen, wenn wir mit unserer Hoffnung auf die Straßen gehen und verkünden: „Er, Christus, ist auferstanden, er lebt!“? Der Tod als endgültige Grenze wäre nicht mehr sicher. Und genau das heißt Ostern: der Tod ist nicht mehr sicher. „Wann das in Kraft tritt? – Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort… unverzüglich…“
   Amen.
Und der Friede Gottes…

 

* Zitate aus den Gesangbuchstrophen von Johan Franck (EG 396,3), „ein Wörtlein“ Martin Luther (EG 362,3)  sowie Christian Fürchtegott Gellert (EG 115,1).
(1) Hinrich C.G. Westphal, Heiter bis Heilig, Gießen 2013, S.5.
(2) Erich Rüppel, Kurzandacht "Fürchte dich nicht!". Offenbarung 1,18, in: Wolf D. Berner (Hg.), Ostern. Verkündigung, Liturgie, Feier, Göttingen 1998, S. 138-140.
(3) Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Lukas, ThHK 3, Berlin 1988, S. 405.
(4) Friedhelm König, Die verschwiegene Wahrheit. The Point of no Return, 9. Aufl. Hückeswagen 2023.
(5) Peter Zimmerling, Hirte, Meister, Freund. Überrascht von der Seelsorge Jesu, Gießen 2022.
(6) Timothy Keller, Hoffnung in Zeiten der Angst. Wie die Auferstehung die Welt verändert, Gießen 2022.
(7) https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/reformversuche-im-osten/grenzsicherung.html
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Schabowski sowie als Videoclip bei www.youtube.com  abrufbar. Siehe auch: Schabowskis Zettel: https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/dokument-notizzettel-schabowski.html
(9) Dr. Ulrich Barnickel als gelernter Schied und studierter Bildhauer hat im Jahr 2009 auf dem ehemaligen Todesstreifen zwischen dem Hessischen Rasdorf und dem Thüringischen Geisa einen sehr sehenswerten und ausdrucksstarken Kreuzweg mit 14 Stationen geschaffen mit dem Titel: "Weg der Hoffnung". Näheres dazu unter: https://www.pointalpha.com/gedenkstaette/weg-der-hoffnung/

 

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